Mein persönlicher Rückblick

Am Anfang bewegte mich schlicht die Frage: Was sind das für Frauen? Nach der Lektüre von CATHERINE MILLETs autobiografischem Roman fehlte mir an der Protagonistin etwas „Fleisch“. Das war auch der Grund, weshalb ich auf jeden Fall etwas zur Biografie meiner Gesprächspartnerinnen erfahren wollte. Einigen Diskussionspartnern in der Vorbereitungszeit erschien die Erhebung solcher Daten erschreckend selbstverständlich, denn es wurde vielfach davon ausgegangen, dass in der Entwicklung der Frauen etwas schief gelaufen sein muss. Von dieser Hypothese ließ ich mich dagegen nicht leiten. Ich wollte das Verhalten der Frauen auf keinen Fall pathologisieren. Um das zu verdeutlichen, habe ich auch in der Einführung die Abweichungen behandelt, die Solofrauen in Swing*rclubs gerne unterstellt werden. Trotzdem war ich mir nicht sicher, ob das auch richtig verstanden würde.

Eine weitere Schwierigkeit war, die Arbeit abzuschließen, beziehungsweise einzugrenzen. Allein mein Literaturverzeichnis und das überquellende Bücherregal sind Zeugnis dafür, wie mir der Forschungsgegenstand immer facettenreicher und damit auch zunehmend komplizierter erschien, ich ihn vielleicht auch immer komplizierter gemacht habe – mit jedem neuen Buch. Das Ergebnis kommt einem im Verhältnis dazu fast banal vor. Simpel erscheinende Fakten werden eben manchmal erst durch aufwändige Untersuchungen eingekreist und erkannt. Fast wie bei einer Komposition habe ich zunächst ein spannendes Thema gewählt und großzügig Literatur ausgesucht, davon einiges in die engere Wahl genommen, ausprobiert, manches wieder als Hintergrund zurücktreten lassen oder verworfen, verschiedenes dominanter eingesetzt, immer wieder Harmonien gesucht, über Dissonanzen gegrübelt, und weiter Ausschau gehalten. Das könnte den Eindruck von Beliebigkeit erwecken.

Wenn man sich darum bemüht, die wahre Gestalt eines Forschungsgegenstands zu erkennen, kann es einem leicht wie den ‚vier Blinden mit dem Elefanten’ ergehen. Man mag auf ebenso viele Meinungen treffen, wie Menschen, die man danach befragt. Alles hängt von deren Perspektive ab. Der Analytiker findet wahrscheinlich eine andere Wahrheit als der Soziologe. Der Sexualwissenschaftler vielleicht eine andere als der Anthropologe. In dieser Arbeit habe ich versucht, auch andere Perspektiven einzunehmen, allen voran die soziologische. Bei den theoretischen Vorüberlegungen, war das fast unumgänglich, denn Sexualität ist, wie schon erwähnt, viel eher ein komplexes gesellschaftliches Konstrukt als etwas biologisch Festgelegtes. Ein rein psychologischer Rahmen bei den theoretischen Vorüberlegungen erschien mir daher auch zu dürftig.

Mich beschäftigte aber zugleich die Frage, ob diese Arbeit auch „psychologisch genug“ sei. Später hatte ich wegen dieser Unsicherheit die Idee, eine Einschränkung in der Fragestellung vorzunehmen, um etwa gezielt zu untersuchen, ob und wie Frauen Sex und Liebe trennen können. Doch dazu hätte ich meines Erachtens neue Gespräche mit diesem Fokus führen müssen. Außerdem wäre ich der Frage nach der Perspektive wieder nicht entkommen. Denn auch zu diesem Gegenstand hätte ich zuerst die eher soziologische Frage nach der Koppelung von Sex und Liebe als gesellschaftliche Norm erörtern müssen.

Letztlich hat mich in diesem Zweifel vor allem die Methode entspannt. Ich habe mich einfach an die Vorgaben qualitativen Arbeitens gehalten, und siehe da: Es konnte geerntet werden!

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Diskussion – Teil I

Die vorliegende Untersuchung stützt sich auf acht Gespräche, die gemäß der Forschungsmethode des persönlichen Gesprächs nach LANGER (2000) geführt und bearbeitet wurden. Alle Gesprächspartnerinnen haben sehr offen über ihre ganz persönlichen und überaus intimen Erlebnisse gesprochen und einen authentischen Einblick in die Welt von swingenden Solofrauen ermöglicht; im Fall von Regina auch einen wichtigen Einblick in den Prozess der Entscheidung für oder gegen diese Einrichtung.

Bei der Erforschung dieser sozialen Welt konkurriert die Psychologie natürlich mit anderen Wissenschaften – in erster Linie der Soziologie; durch die Exotik der Erfahrungswelt auch etwas mit der Anthropologie und der Ethnologie, zumindest, was die wissenschaftliche Haltung und eine mögliche Vorgehensweise anbelangt. Es stellt sich hier die Frage, welches der originär psychologische Beitrag zum Verständnis der Erfahrungswelt ‚Swingerclub’ ist. Üblicherweise ergibt sich die Perspektive nicht nur durch die Disziplin, sondern durch die Fragen, die den Forscher bewegen und die theoretischen Vorüberlegungen. Sie stecken gewissermaßen das Feld ab, in dem die Ergebnisse danach auch interpretiert werden. Um speziell bei diesem Untersuchungsgegenstand einen ausschließlich psychologischen Blickwinkel anzulegen, gibt es allerdings nur wenig – um nicht zu sagen, so gut wie keine – ausgesprochen psychologische Literatur und begrenzt psychologische Forschung. Bezüglich der menschlichen Sexualität im Allgemeinen findet sich in der Sozialpsychologie der Teilbereich der evolutionären Psychologie, welcher sich mit der sexuellen Auswahl und der elterlichen Investition befasst. Und natürlich sind Einstellungen und interpersonale Beziehungen zentrale sozialpsychologische Forschungsgegenstände. (vgl. STROEBE, HEWSTONE, STEPHENSON, 1997) Die Entwicklungspsychologie beschäftigt sich noch mit sexuellem Verhalten in unterschiedlichen Lebensaltern und Lebensumständen, vorwiegend mit der psychosexuellen Entwicklung in der Adoleszenz, mit sexuellem Missbrauch und sexueller Gewalt. (vgl. OERTER/MONTADA, 1998) In der Lehre kommt der Bereich der menschlichen Sexualität allerdings noch etwas kurz.

Sexualität ist also nicht gerade ein bedeutender Gegenstand in der psychologischen Forschung und Lehre. Sie ist überdies in einem so erheblichen Ausmaß gesellschaftlich geprägt, dass sie ohne soziologischen Blickwinkel überhaupt nicht zu erfassen ist. Auch die Frau ist immer eine Frau in der Gesellschaft und ohne diese, in ihrer Geschlechterrolle nicht zu begreifen. Daher ist Sexualwissenschaft auch interdisziplinär und hat sich zu einer eigenständigen wissenschaftlichen Richtung entwickelt, in der Psychologen, Soziologen und Mediziner zusammenarbeiten.

Der Blickwinkel ergibt sich in dieser Untersuchung in erster Linie durch die Methode.

Methoden und Gütekriterien

Ausgangspunkt ist das subjektive Erleben der Frauen, die als Gesprächspartnerinnen ihre Erfahrungen mitgeteilt haben. In der Wissenschaft wird Subjektivität im Gegensatz zur Objektivität üblicherweise verworfen. Nur die Sozialwissenschaften – und dazu gehört auch die Psychologie – haben die Subjektivität mit den qualitativen Forschungsmethoden zu einem wissenschaftlichen Gegenstand gemacht und erforschen sie, um mehr über die psychische und soziale Welt von Menschen zu erfahren.

Gültigkeit und Zuverlässigkeit der Aussagen

Qualitative Forschung zielt darauf ab, maximale Authentizität zu erreichen. Durch Zusicherung der Anonymität können sich die Gesprächspartnerinnen bei der Gesprächsmethode nach LANGER in einer vertrauensvollen und zwanglosen Atmosphäre ungehindert ausdrücken. Die Gespräche zeigen auch, dass davon profitiert wurde und intimste Details zur Sprache kamen. Ich hege keine Zweifel bezüglich des Wahrheitsgehalts der Aussagen, denn die Methode des persönlichen Gesprächs hat einen entscheidenden Vorteil beispielsweise gegenüber der anonymen Datengewinnung mittels Ausfüllen und Ankreuzen von Fragebögen ohne direkten persönlichen Kontakt. Die Gesprächspartnerinnen können ohne Vorgaben frei erzählen und haben dabei nicht das Gefühl, sich lediglich zu Vorannahmen zu äußern. Denn der Forscher betrachtet seine Gesprächspartner hinsichtlich des untersuchten Themas als „Experten“ (LANGER, 2000, S.94) und sieht sich selbst als „suchende, Erfahrungen aufnehmende Person“ (ebd., S.19). Die Frauen stehen also als Person im Mittelpunkt der Untersuchung, und wie mir zurückgemeldet wurde, haben einige das Gespräch zur Selbstklärung genutzt. Auch das macht Scheinaussagen unsinnig und relativ unwahrscheinlich.

Dennoch konstruieren sich laut FRIGGA HAUG (1990, S.19) Gesprächspartner erzählend ihre Geschichte. Menschen haben eben die Tendenz Kontinuität herzustellen und Widersprüche zu glätten, indem sie bestimmte Punkte auslassen, vergessen oder nicht wahrnehmen. Das kann bedeuten, dass bestimmte Erfahrungen, vielleicht gerade negative Erfahrungen, die nur einzelne erwähnen, möglicherweise von anderen Frauen ebenfalls gemacht werden. Die Aussagen spiegeln also keine objektiven Tatbestände wider, sondern sind subjektive Interpretationen ihrer Erfahrungen. LAMNEK (1995, S.72) ist der Ansicht, dass nur sprachlich hochkompetente, intellektuelle und versierte Gesprächspartner mitten in einer angefangenen Erzählung auf ein anderes als das echte Ende des Handlungsablaufes ausweichen können.

Die Dokumentation der Gespräche orientiert sich ganz am Sprachgebrauch der Frauen und ist nahezu komplett bei deren wörtlichen Aussagen geblieben. Auch die zusammenfassende Auswertung bleibt mit persönlichen Zitaten immer noch dicht am Ausdruck des persönlichen Erlebens der jeweiligen Person. Dies ist ein Prinzip der Methode des Persönlichen Gesprächs, das wesentlich dazu beiträgt, unverfälschte und gültige Ergebnisse zu erhalten.

Nach den einzelnen Bearbeitungsschritten wurden die Gesprächsteilnehmerinnen um die Freigabe der Gespräche gebeten. Sie sollten genau prüfen, ob sie sich in der Darstellung ihres Erlebens zutreffend beschrieben sehen, die Dokumentation stimmig ist und die Gesprächsinhalte korrekt wiedergegeben sind. Dadurch wird der Einfluss des Untersuchers relativiert, die Güte der Aussagen sichergestellt und „die Gesprächsdokumentation als wissenschaftlich erarbeiteter Beleg zu einem bestimmten Thema abgeschlossen.“ (LANGER, 2000, S.71) „Es gibt kein angemesseneres Kriterium für die Güte bzw. die Gültigkeit unserer Gesprächsdokumentation und die darauf aufbauenden Aussagen als die zustimmende Stellungnahme der Person, deren Mitteilungen im Gespräch wir bearbeitet haben.“ (ebd.)

Hinsichtlich der Gültigkeit der Aussagen muss allerdings einschränkend erwähnt werden, dass die Gespräche lediglich die subjektive Meinung der Solofrauen wiedergeben. Ich habe weder mit männlichen Clubbesuchern noch mit Clubbetreibern gesprochen. Sie könnten andere Erfahrungen gemacht und Situationen anders erlebt haben. LANGER unterscheidet auch eine primäre und eine sekundäre Authentizitätsebene. (S.60) Betrachtungen der Frauen beispielsweise über andere Personen sind unter dem Gesichtspunkt der Authentizität sekundär. Nur Aussagen der Frauen über sich selbst sind primäre authentische Belege.

Gültigkeit der Auswertungskategorien
Die endgültigen Auswertungskategorien ergaben sich zu einem guten Teil durch die Fragen, die mich bewegt haben und aus Kategorien der Einzelgespräche. Es gibt in dieser Hinsicht nach JAEGGI et al. (1998, S.13) außerdem kein „richtig oder falsch“. Andere Untersucher hätten möglicherweise andere Kategorien gefunden. Dennoch kommt die Auswahl der Themen und damit die Auswertung nicht beliebig zustande. Eine Kategorie „Männerverachtung“ lässt sich beispielsweise nicht aus den vorliegenden Gesprächen herauslesen, wenn man sich streng an den Text hält. Dass so eine Kategorie unter Umständen durchaus eine gewisse Rolle spielen könnte, ließe sich gegebenenfalls tiefenhermeneutisch erschließen.

Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse

Die untersuchte Stichprobe ist nicht repräsentativ. Den Ausdruck ‚Stichprobe’ halte ich im Zusammenhang mit qualitativer Forschung auch für wenig geeignet, denn es geht nicht darum, auf die Verteilung von Merkmalen in einer Grundgesamtheit zu schließen. (vgl. BORTZ, 1999) Mein Ziel war es, mit der qualitativen Untersuchung eine Bandbreite an möglichen Erfahrungen darzustellen. Es kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass das hier dokumentierte Erleben die gesamte Vielfalt an Erfahrungen swingender Solofrauen widerspiegelt. Andere Erfahrungen könnten sich möglicherweise von den Erfahrungen meiner Gesprächspartnerinnen ziemlich unterscheiden. Dennoch, sagt LANGER, können Aussagen auch von sehr wenigen Personen sehr aufschlussreich sein. „Die Anzahl der Personen, auf die sich die Beiträge zu einem Aussagenbereich beziehen, sagt im Grunde nur wenig über den Wert dieser Aussagen aus. Auch eine Lebenserfahrung von nur einer einzigen Person kann hohen Anregungs- und Vorbildwert haben“ (2000, S.80).

Weiter geht’s mit den zusammengefassten
Untersuchungsegebnissen meiner Studie.

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Als Solofrau im Swingerclub – Die Untersuchungsergebnisse – Diskussion Teil II

Um ein prägnanteres Bild der Untersuchungsergebnisse zu bekommen werden hier zentrale Resultate teils mit Bezug zur Literatur knapp zusammengefasst und nur wenig auf der persönlichen Ebene ausgeführt. Auch wenn einzelne Ergebnisse durchaus verallgemeinerbar sein könnten, sind doch nur meine Gesprächspartnerinnen gemeint, wenn ich im Folgenden von ‚die Frauen’ spreche. Abweichende Einzelerfahrungen und Gegenbeispiele werden gelegentlich mit Namen genannt.

Ausgangssituation

Wenn man einmal von Tine absieht, die überhaupt nicht weiß, was sie erwartet, als sie verführt wird, gehen oder wollen alle Gesprächspartnerinnen in einen Swingerclub, um dort Sex zu haben, der ihnen als Single oder alleinerziehende Mutter fehlt. Partnerlose Frauen, vor allem gut ausgebildete Frauen wie in dieser Studie, haben nach dem dreißigsten Lebensjahr, wie in der Einführung erörtert, zunehmend weniger Auswahl auf dem Beziehungsmarkt. Ohne Partner zu sein, wird jedoch von diesen ausgesprochen selbstbewussten Frauen mehrheitlich nicht problematisiert, vielmehr wird, wie auch von manchen Frauen in KAUFMANNs Studie, eher ein Loblied auf die Singlefreuden und –freiheiten gesungen. Ein Leben ohne Sex ist für sie dagegen nicht erstrebenswert, denn Sex wird überwiegend als ein zu einem gesunden, ganzheitlichen Leben dazugehöriger Faktor betrachtet. Bei Sandy ist obendrein die Fantasie, Sex mit mehreren Männern haben zu können, ein starkes Anfangsmotiv. Regina hat zwar einen Partner, lebt mit ihm aber ungewollt wie in einer Josephsehe. Tine geht es auch um Sex und Abenteuer, ob sie ihren Geliebten aber in einem Club oder im Hotel trifft, ist für sie erst einmal irrelevant, denn bei ihr steht die leidenschaftliche Beziehung im Vordergrund.

Internet und Telefon

Eine wichtige Rolle auf dem Weg zum Swingen spielt Information, allem voran Information aus dem Internet. Daneben ist das Internet bei einigen Frauen schon im Vorfeld eines Clubbesuchs ein häufig genutztes Medium, um erotische Kontakte herzustellen. In Chaträumen probieren sie sich aus und haben dabei, wie NICOLA DÖRING feststellt, zahlreiche Vorteile: Das Aussehen spielt keine Rolle, es gibt reichlich anonyme Kontaktmöglichkeiten, aber auch die Möglichkeit zum unmittelbaren Abbruch der Kommunikation. So können Frauen beim Cybersex ihre sexuellen Wünsche ohne Risiko „ausleben“ und auf diesem neuen Verhandlungsfeld ihre sexuelle „Handlungsmacht“ fördern. Ganz ähnlich ist es beim Telefonsex, welcher ebenfalls von einem Teil der Frauen im Vorfeld praktiziert wird.

Alternative One-Night-Stand

Der Clubbesuch stellt für die meisten Frauen eine Alternative zum One-Night-Stand dar. Ein entscheidender Vorzug wird darin gesehen, dass im Club jeder weiß, worum es geht, wodurch umständliche Kontaktmanöver entfallen. Die Anstrengungen des Werbeverhaltens und das Risiko einer Zurückweisung sind minimiert. Hinterher geht man nach Hause und hat keinen Mann im eigenen Bett oder gar am Frühstückstisch, der noch nach der Telefonnummer fragt. Zudem kommt ein One-Night-Stand nicht immer leicht zustande. Attraktivere Geschlechtsgenossinnen werden zuverlässiger umworben, und nicht selten ist Alkohol als Spaßverderber mit im Spiel. Wenn es Frauen vordergründig um Sex und nicht um Paarbildung geht, wird eine Beziehung eher vermieden. Wie KAUFMANN jedoch in seiner Studie zum Paarbildungsprozess feststellen konnte, ist nicht einmal ein „schlechter“ One-Night-Stand diesbezüglich ohne Risiko.

Alternative Callboy
Der professionelle Liebesdiener wird nur vereinzelt als Alternative betrachtet, allerdings nicht als Dauerlösung. Er erfüllt zwar üblicherweise recht zuverlässig die Wünsche seiner weiblichen Kundschaft; da er das jedoch gegen Bezahlung macht, bleibt dabei in der Regel das Gefühl aus, begehrt zu sein. Findet der Callboy die Frau dagegen tatsächlich begehrenswert, geht es häufig nicht um teure Bezahlung, kann aber zu Konflikten führen. Wieder geht es um das Thema Gegenleistung, dem die Frau mit diesem Schritt vielleicht entkommen wollte. Trotzdem hat Regina den Gedanken an einen Callboy noch nicht begraben; er konkurriert bei ihr regelmäßig mit der Swingerclub-Idee.

Freundinnen und begleitende Männer
Die größtenteils sexuell unterversorgten Frauen werden zum ersten Clubbesuch – etwas holzschnittartig betrachtet – entweder verführt oder wagen den Schritt nach zum Teil reiflicher Überlegung, meist mit der moralischen Unterstützung einer Freundin oder sogar in Begleitung derselben. Im Spannungsfeld zwischen Verführung und bewusster Entscheidung findet ein Prozess statt, der graduell unterschiedlich vom jeweiligen Begleiter, den Begleiterinnen, beziehungsweise im Vorfeld von Leidensgenossinnen und Freunden begleitet oder sogar eingeleitet wird.

Nette BetreiberInnen und fürsorgliches Bewirtungspersonal
Auch die Güte der Einführung in diese neue Welt durch Betreiber und Bewirtungspersonal spielt bisweilen eine maßgebliche Rolle. Auffallend ist, dass diesbezüglich von Personal und Besitzern verschiedener Clubs sehr positiv berichtet wird. Betriebswirtschaftlich gesehen ist die Solofrau für Clubbetreiber natürlich so etwas wie Kapital, denn selbst wenn auf eine Männerquote geachtet wird, finden pro Einzelfrau mindestens zwei Soloherren Einlass, die die höchsten Eintrittspreise bezahlen. Meistens ist es eine weibliche Person, die für Wohlbefinden sorgt. Da manche Gastgeber nicht die Betreiber, sondern Angestellte sind, stehen dabei möglicherweise soziale Motive im Vordergrund. Weiter fällt auf, dass in zwei Gesprächen von „Männer schaffen“ und „machen“ die Rede ist, was zur Spekulation verleitet, es könnte bei diesen Frauen zu einer unbewussten Übernahme eines unausgesprochenen Auftrags gekommen sein und sich darin womöglich etwas anderes als Eifer oder ein Rekordversuch wie bei Sandy ausdrücken. Unter diesem Blickwinkel käme dem Vergleich mit der Bienenkönigin im Interview mit GOULD noch eine weitere Bedeutung zu.

Grenzen – Schutz und Kontrolle

Im Club wird die Frau umworben und hat, wenn sie Gebrauch davon macht, das Sagen. Durch einen Verhaltenskodex, der in Clubs üblich und in der Regel schriftlich festgehalten ist, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Grenzen einerseits von anderen beachtet, andererseits von den Frauen selbst sensibler wahrgenommen und durch entsprechende Maßnahmen geschützt werden. Für viele ist das erst einmal ein Lern- und Übungsprozess, an dessen Ende häufig eine bemerkenswerte Souveränität erlangt wird. Die Übung und das Selbstbewusstsein aus den Chat- und Telefonsexerfahrungen spielen dabei möglicherweise eine Rolle. Frauen lernen vielfach schon dort, Anweisungen zu geben und trauen sich zunehmend mehr zu sagen, was sie wollen und was nicht. Über die „Swingeretikette“ hinaus wird als weitere willkommene Schutzbedingung die Anwesenheit der Betreiber oder Bewirter und der anderen Gäste betrachtet.

Mittelpunkt sein und Zärtlichkeit bekommen
Vornehmlich gehen die Frauen in einen Swingerclub, um dort ihre sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Doch wie KAUFMANN schon in seiner Single-Studie feststellte, überlagert dieses Bedürfnis manchmal das nach Nähe und Zärtlichkeit. Wiederholt erleben Frauen bereits als Einsteigerinnen, dass gerade Sex mit zwei Männern überaus befriedigend ist. In dieser Situation ist die Frau fast automatisch im Mittelpunkt und auch der Gedanke an eine Gegenleistung bleibt tendenziell aus. Speziell in dieser Situation, aber auch mit Einzelherren, wird nicht selten die Erfahrung gemacht, dass tatsächlich einige Männer gerne bereit sind, Frauen ausgiebig mit Zärtlichkeiten zu verwöhnen.

Widerstände und Einstellungsänderung
Das Gefühl, im Mittelpunkt zu sein und verwöhnt zu werden, ist vermutlich mit ausschlaggebend dafür, dass Frauen, wie schon SMITH & SMITH und GOULD feststellten, ihre Einstellung zum Swingen nach anfänglichen Widerständen schnell anpassen. Grundlegende Widerstände werden allerdings, wie man sehen konnte, bei vielen Solofrauen schon im Vorfeld durch einen Prozess mit vertraulichen Gesprächen und Informationssuche insbesondere bei fürsorglichem Clubpersonal überwunden. Denkbar ist auch, dass der konsequente Charakter des Handlungsablaufs beim ersten Besuch eine wesentliche Rolle spielt. Der erste Clubbesuch gleicht nicht selten einem Experiment. Der Charakter eines Experiments oder einer Mutprobe beinhaltet möglicherweise, dass die schnuppernde Novizin durch den vielleicht eher schleichenden Anstieg der animierenden, später sexuellen Handlungen in einen Handlungsablauf hineinrutscht, zu dessen Beginn noch wenig Grund zum Weggehen besteht. Später müsste die Frau sich aber eventuell eingestehen, dass sie das eine oder andere Mal ihre Grenzen ignoriert hat. Das Fortführen des Besuchs rechtfertigt aber die vorherigen Handlungen, und es kommt eventuell schon zu einer Einstellungsänderung. Vereinzelt hält sich der beschämende Gedanke „Es-nötig-zu-haben“ aber noch eine Zeit und führt wie bei Anna zu einer längeren Pause.

Der mehr oder weniger ausgewählte Sexualpartner

Abgesehen von Sympathie ist das wichtigste Auswahlkriterium, noch vor sozialen und ästhetischen Kriterien, Sauberkeit und Hygiene der Männer, was auch die Studie der Charité nicht nur für Swingerinnen bestätigt. Kriterien, die folgen, sind Aufmerksamkeit und Höflichkeit. Die Auswahl erfolgt zum Teil verhältnismäßig streng und konsequent, von manchen Frauen aber auch äußerst großzügig und von erstaunlicher Toleranz geprägt. Zum Teil gehen Frauen dabei auffallend aktiv auf die ausgewählten Männer zu. Ein Teil der Frauen verhält sich dagegen beharrlich passiv. Am meisten gefragt ist der gut riechende, appetitliche und kommunikative junge Mann, der eine Frau mit Ausdauer zu verwöhnen weiß und kein Problem mit einem weiteren Mitspieler hat. Mit so einem Mann kommt es ohne weiteres zu wiederholten Kontakten, allerdings fast ausschließlich im Club. Männer mit weniger Qualitäten sind als Nebenspieler – gleichzeitig oder nacheinander – für einige Frauen akzeptabel und werden dann für ihre Zärtlichkeit oder ihre Vorliebe für orale Stimulation und ihre freundschaftliche Verbundenheit geschätzt.

Die Frau als
Objekt und Rivalin
Lediglich Natalia kann mit Frauen in erotischer Hinsicht überhaupt nichts anfangen. Von einigen Frauen wird dagegen die Gelegenheit zum erotischen Spiel mit einer Frau, meist als Vorspiel, begrüßt. Solofrauen kommen aber eher unregelmäßig in den Genuss sexueller Kontakte zu Geschlechtsgenossinnen, denn andere Solofrauen suchen schwerpunktmäßig den Kontakt zu Männern und stehen somit weniger zur Verfügung. Bei vielen Paaren wirkt sich auch einschränkend aus, dass sie sich gern mit anderen Paaren zusammentun und eher einen weiteren Mann als eine weitere Frau einbeziehen. Das kann bei reinen Pärchenveranstaltungen anders sein, denn dort werden zwar keine Soloherren, öfter aber Solofrauen eingelassen. Als Rivalin tritt eine andere Frau seltener auf den Plan – sporadisch als eifersüchtige Ehefrau. Deshalb sind auch die Erfahrungen mit Paaren gelegentlich getrübt. Vermutlich handelt es sich bei Cora um eine Konkurrenzsituation, wenn sie Missstimmungen im Kontakt zu manchen Frauen an manchen Tagen empfindet. FISHER liefert dafür vielleicht eine Erklärung, wenn sie bei Rivalität unter Frauen einen Zusammenhang mit dem Zyklus feststellt.

Sehen und gesehen werden

Anderen beim Sex zusehen oder selbst dabei beobachtet werden ist anscheinend bei keiner Frau eine schon vorher angelegte oder bewusst wahrgenommene und verfolgte Neigung. Es handelt sich wohl eher um die von den Frauen im Nachhinein als stimulierend bewertete Möglichkeit, das in einem Club zu erfahren. Natürlich kann das in Fantasien bereits vorher eine Rolle gespielt haben. Falls sich Regina zu einem Clubbesuch entschließen sollte, freut sie sich insbesondere auch auf diese Möglichkeit, allerdings vorrangig, um persönliche Studien zur Authentizität der anderen Gäste zu verfolgen. Möglicherweise sucht nicht nur sie durch das Zuschauen auch den sozialen Vergleich, um das eigene sexuelle Verhalten bewerten zu können. Natalia widerstrebt es als einziger Frau, anderen beim Sex zuzuschauen, dagegen lässt sie sich wie viele andere gerne dabei beobachten. Beim Sex beobachtet zu werden, ist, neben einem Gefühl der Bestätigung, vielleicht auch deshalb so verlockend, weil das möglicherweise wie beim Hawthorne-Effekt die eigenen Qualitäten als Liebhaberin und die der jeweiligen Sexpartner steigert. Auf der sekundären Authentizitätsebene betrachtet, haben manche Männer mehr zu verlieren als zu gewinnen und sind daher wahrscheinlich weniger als die Frauen auf Zuschauer erpicht.

Erregung und Orgasmus
Alle Frauen wollen sexuell erregt werden und sich nach einem Clubbesuch befriedigt fühlen, wobei bei einigen Frauen dazu nicht zwingend ein Orgasmus notwendig ist und der Akt an sich als befriedigend genossen werden kann. Ein Teil der Frauen geht indessen mit diesem Ziel in den Club und erlebt wiederholt sogar mehrere oder multiple Orgasmen. Diese Frauen unterstützen den finalen Prozess häufiger durch Klitorisstimulation. MARY JANE SHERFEYs Theorie der Unersättlichkeit scheinen manche Frauen, vor allem Lilly, ansatzweise zu bestätigen. Sie geht in der Regel nur an bestimmten Tagen, an denen sie hormonell angeregt ist, in den Club, bleibt aber meistens, wie SHERFEY das ausdrückt, angesichts eines Höchstmaßes an sexueller Sättigung sexuell ungesättigt. Das Ende der sexuellen Betätigung wird durch ihre körperliche Fitness bestimmt.

Sich ausleben, experimentieren und sich selbst erfahren

Neben Erregung und Befriedigung geht es den Frauen vielfach darum, sich ganz auszuleben, Neues zu entdecken und auszuprobieren. Das gelingt im Club teilweise besser als in einer Beziehung. Manche Trennung ist, wie KAUFMANN in seiner Singlestudie feststellt, „Auslöser für eine rauschende Entdeckung körperlicher Freiheiten“. Manchen Frauen geht es auch um das Sich-Ausleben angesichts der Endlichkeit der menschlichen Existenz. Mehrere Frauen erwähnen den Tod im Zusammenhang mit dem Drang, sich sexuell auszuleben. Dazu gehört für manche Frau, ihren Fantasien nachzuspüren und sie gezielt umzusetzen, beispielsweise mehrere Männer zu dirigieren. Manchmal sind das Bedürfnisse, von denen die Frau zuvor noch nicht wusste. Einzelne Frauen wie Tine und Natalia finden es grundsätzlich anregend, etwas Verbotenes oder Anrüchiges zu tun und nach dem Karnevalsprinzip in diese andere Welt einzutauchen. Sich selbst zu inszenieren, wie Anna das ausdrückt, ist dabei auch eine Form der Selbsterfahrung. Selbsterfahrung im Sinne einer Wahrnehmungsverstärkung, durch die man erfährt, wer und wie man ist, welche Möglichkeiten in einem stecken, wie man sich wann fühlt und wie man von anderen wahrgenommen wird. Bei Lilly vermittelt sich diese Selbst-Erfahrung sogar sehr konkret über die Entdeckung ihres animalischen Spiegelbildes. SIGUSCH schätzt diesen Aspekt der Sexualität als zunehmend bedeutungsvoller ein. Das Triebhafte steht dabei nicht mehr im Vordergrund. Vielmehr sind auch sexuelle Praktiken wie etwa BDSM, womit Iris und Sandy experimentieren, zugleich sexuell und nicht sexuell, weil Selbstwertgefühl und Befriedigung stärker aus dem Thrill der „nonsexuellen Selbstpreisgabe“ und der „narzisstischen Selbsterfindung“ erwachsen.

Guter Sex – mehr Sex

Zu den erwähnten Bedürfnissen gehört vor allem, dass Sex länger dauert. Die Möglichkeit, mehrere Männer an einem Abend haben zu können, wenn ein Liebhaber nicht ausdauernd ist, kommt den meisten Frauen sehr entgegen. Auch die Verschiedenartigkeit der Männer wird von einzelnen neugierig und gern wahrgenommen. Dass Sex als befriedigend empfunden wird, macht für einige Frauen anscheinend vor allem das Gefühl aus, genug davon zu bekommen. Guter Sex bedeutet vielfach auch, dass er mit dem Gefühl gekoppelt ist, nichts tun zu müssen, außer zu genießen. Bei einem Gangbang hat, neben dem Gefühl von vielen begehrt zu sein, vermutlich die Anwesenheit mehrerer Männer nicht nur einen Effekt, der sich auf die Männer orgasmussteigernd auswirkt, sondern sich ebenfalls luststeigernd auf manche Frau überträgt.

Sex und Liebe

Überwiegend geht es im Club um sexuelle Erregung. Noch besser ist dabei für die meisten Frauen das zusätzliche Gefühl eines intensiven Augenblicks, einer Begegnung, die durchaus mit dem Gefühl von Liebe im ‚Hier und Jetzt’ verbunden sein kann. Außer Tine strebt allerdings keine Frau so auffallend nach Leidenschaft mit Herzensbeteiligung und Dauerhaftigkeit; eher ist das Gegenteil der Fall.

Stammgast sein

Alle Frauen, die einmal oder mehrmals wöchentlich den Club besuchen, pflegen dort Umgang wie in einer Stammkneipe. Der Club ist für sie ein wesentlicher Teil ihres sozialen Umfelds – ein wichtiger sozialer Raum, in dem ein ganz ähnliches Freizeitverhalten an den Tag gelegt wird, das vom Gros der Gesellschaft abweicht. Das schweißt als Gruppe zusammen. Neulinge werden trotzdem erstaunlich offenherzig aufgenommen und auffallend rasch integriert.

Mitwisser
Bis auf Tine, die ein geheimes Doppelleben führt, ziehen alle Gesprächspartnerinnen mindestens eine enge Freundin, eher mehrere, ins Vertrauen. Tine wiederum weiht eine Arbeitskollegin ein, was allerdings für die meisten anderen ausdrücklich nicht infrage kommt. Für Cora und Iris sind die entdeckten Swingerfreuden dagegen überhaupt kein Geheimnis – im Gegenteil. Jeder, und das schließt die eigene Familie mit ein, der etwas darüber wissen möchte, wird großzügig informiert – die Kinder möglichst ihrem Entwicklungsstand angemessen.

Schlussbemerkung

In Anlehnung an KAUFMANNs Zitat möchte ich ganz mutig und ohne Wertung behaupten: „Wer einen Blick in die Zukunft der Gesellschaft tun will, kommt nicht umhin, sich die Bettgeheimnisse dieses Vagabundierens (…) genauer anzusehen.“ Denn vielleicht sind auch diejenigen, die mit wechselnden Liebhabern im Swingerclub ihre sexuellen Bedürfnisse und ihre Lust auf zärtlichen Körperkontakt ausleben und dabei ihre Autonomie bewahren – „ohne es zu wissen – Erfinder der Zukunft“.

Dennoch glaube ich nicht, dass ein Swingerclub für viele Frauen eine selbstverständliche Einrichtung wie etwa ein Fitness-Club wird. Das romantische Modell der exklusiven Paarbeziehung ist doch ziemlich unerschütterlich in uns Menschen, vor allem in Frauen verankert. Vorstellbar ist dagegen, dass das Angebot verstärkt auf weibliche Singles ausgerichtet wird. Von manchen Frauen, Männern und Paaren würde zudem ein reiner „Tantraclub“ begrüßt werden, den es meines Wissens (noch) nicht gibt. Denn wer Einsichten durch Selbsterfahrung gerade auf diesem Gebiet gewonnen hat, ist geneigt neben dem unverbindlichen Abenteuer auch eine intensive Begegnung für den Augenblick erleben zu wollen und lehnt auf Dauer die betont genitale Stimulation ab.

Es geht weiter mit dem dritten und letzten Teil der Diskussion.

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Mögliche Folgeuntersuchungen – Diskussion Teil III

Im Nachhinein ist natürlich noch manche Detailfrage offen. So würde mich, um nur zwei kleine Beispiele zu nennen, interessieren, ob sich Cora exklusive Praktiken für ihren Freund vorbehält, und weshalb Tine sich nicht von ihrem Mann trennt. Die im Text bereits angesprochenen Fragen nach der Motivation durch Figurprobleme und nach einer eventuell unterschwelligen Männerverachtung, die eher eine tiefenhermeneutische Herangehensweise erfordern, könnten interessante Einblicke liefern. An dieser Stelle sollen aber nicht weitere Detailfragen erörtert werden, sondern ein Blick auf mögliche neue Untersuchungsperspektiven und –methoden geworfen werden.

Zum Beispiel auf die Frage, ob es bestimmte Persönlichkeitsakzentuierungen unter swingenden Solofrauen gibt. Mittels eines Persönlichkeitstests könnten auch speziell Mut und Risikobereitschaft der Frauen getestet werden. Dazu eignet sich das Hamburger Persönlichkeitsinventar (2002), kurz HPI genannt, das Mitte der neunziger Jahre vom Hamburger Psychologen BURGHARD ANDRESEN entwickelt wurde und zu den fünf Basisdimensionen der Persönlichkeit, den ‚Big Five’, als sechste Dimension ‚Risk and Competition Seeking’, die die Neigung, Chancen zu suchen, mutig Wagnisse einzugehen und Kampfgeist, erfasst. Der Test erschließt durch drei Untersysteme mit je zwei gegenüberliegenden Faktoren auch Konflikt- und Ambivalenzaspekte einer Person. ANDRESEN erkannte, dass sich eine Neigung aus zwei gegenpoligen Faktoren zusammensetzt, beispielsweise dominant riskierende Charakterzüge auf der einen und submissiv prosoziale auf der anderen Seite. Menschen mit hoher Risikobereitschaft haben möglicherweise beides in sich. Um interpretierbare Ergebnisse zu erhalten, wäre allerdings eine umfangreichere Stichprobe swingender Solofrauen sinnvoll. Darüber hinaus könnte eine Kontrollgruppe sinnvoll sein, die eventuell durch einen entsprechenden Anteil an Singles und alleinerziehenden Müttern vergleichbar geschichtet ist.

Weiterhin wäre eine ähnliche wie die vorliegende Studie über die Sexualpartner im Club interessant. Beispielsweise bewegen mich unter anderem die Fragen, weshalb Männer einen Clubbesuch ohne Sexgarantie dem Besuch bei einer Prostituierten vorziehen; worin der Reiz eines Gangb*ngs besteht, und was das erotischen Spiel zwischen zwei Frauen für sie so anregend macht.

Eine Langzeitstudie könnte Aufschluss darüber geben, wie lange Frauen alleine in Swing*rclubs gehen, ob und weshalb eventuell damit aufgehört wird.

Um ein vollständigeres Bild dieser Welt zu erhalten und nicht auf US-amerikanische Ergebnisse zurückzugreifen, ist auch an eine deutsche Studie im Paarbereich zu denken.

Gespräche mit Clubbetreibern als Experten, die ihre Gäste in der Regel ziemlich gut kennen, könnten interessante Einblicke liefern und möglicherweise auch Auskunft über Dropout-Raten geben.

Zuletzt könnte aus den Ergebnissen ein Fragebogen konstruiert werden, der eine größere Population erfasst und das Bild um quantitative Aussagen ergänzt.

Diplomarbeit-Diskussion (pdf)

Der nächsten und letzten Teil (mein persönlicher Rückblick) lesen Sie
hier.

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Vier Blinde und ein Elefant

Vier blinde Männern sind zum ersten Mal in ihrem Leben mit einem Elefanten konfrontiert. Jeder von ihnen berührt einen anderen Teil und versucht, den drei anderen seinen Eindruck zu beschreiben. Der erste Blinde betastet den Rüssel und sagt: „Es handelt sich um ein bewegliches Rohr!“. Der Zweite berührt die Elefantenohren und behauptet: „Ich muss widersprechen, es fühlt sich eher an wie eine weiche, dicke Decke!“ Der Dritte hat seine Arme um ein Bein geschlungen und ruft: „Irrtum! Dieses Ding ist ein großer, stattlicher Baum.“ Der vierte Mann, der seine Hand über den Körper des Elefanten gleiten lässt, meint energisch: „Werte Kollegen, Sie wissen nicht, worüber Sie sprechen! Der Elefant ist so groß und breit, dass er mehr einem Haus gleicht, als allem anderen, das Sie beschrieben haben!“

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Sie lasen soeben einen Teil aus meiner Diplomarbeit, genauer gesagt ist es ein Teil aus dem Glossar, der sich auf meinen Rückblick bezieht.

Big Five

Fünf-Faktoren-Modell der wesentlichen Eigenschaften der menschlichen Persönlichkeit:
1. Neuroticism (N – Neurotizismus = die Neigung zu emotionaler Ansprechbarkeit, Ängstlichkeit, Reizbarkeit, Depression, Befangenheit, Impulsivität, Verletzlichkeit, Labilität).
2. Extraversion (E = die Neigung zu Herzlichkeit, Geselligkeit, Durchsetzungsfähigkeit, Aktivität, Erlebnishunger, Frohsinn und Optimismus).
3. Openness (O – Offenheit = die Neigung zu Offenheit für neue Erfahrungen, Fantasie, Ästhetik, Gefühle, Handlungen und Ideen).
4. Conscientiousness (C – Gewissenhaftigkeit = die Neigung zu Sorgfalt, Kontrolliertheit, Kompetenz, Ordnungsliebe, Pflichtbewusstsein, Leistungsstreben, Normorientierung, Selbstdisziplin und Besonnenheit)
5. Agreeableness (A – Verträglichkeit = die Neigung zu Vertrauen, Selbstlosigkeit, Hilfsbereitschaft, Entgegenkommen, Bescheidenheit, Gutherzigkeit und Nachgiebigkeit)

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Der Hawthorne-Effekt

Begriff für den Effekt, der entsteht, wenn Menschen sich der Tatsache bewusst sind, dass ihr Verhalten beobachtet wird. (STROEBE et al., 1997, S.623). Der Begriff entstammt einer Untersuchung zur Produktivität von Arbeitern in der Hawthorne-Fabrik. Sie zeigte, dass bloße Beobachtung die Motivation und damit die Produktivität steigerte. (ebd. S.101)

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Sie lasen soeben einen Teil aus meiner Diplomarbeit

Die Frau als Rivalin

Die Psychologin MARYANNE FISHER (2004) zeigte weiblichen Probandinnen Bilder von anderen Frauen und erkundigte sich dabei nach ihrem jeweiligen Zyklusstand. Je nach Phase schätzten die befragten Frauen die Bilder sehr unterschiedlich ein. Das äußerte sich in indirekten Aggressionen beispielsweise mittels abwertender Aussagen über das Aussehen der gezeigten Frauen während der fruchtbaren Tage. Gezeigte Männerfotos wurden, egal in welchem Zyklusabschnitt sich die Frauen befanden, als gleich anziehend beurteilt. Der Grund der Aggression gegen andere Geschlechtsgenossinnen liegt nach Ansicht FISHERs darin, dass bei der Chance auf Fortpflanzung andere eher als Rivalin betrachtet werden und das feindselige Verhalten somit als Strategie im Konkurrenzkampf um Männer anzusehen ist.

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