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Trauerrede zu Eugenies Beerdigung, Hamburg 09. November 2013

Lieber A.,
liebe Frau L., lieber Herr L.,
ich grüße Sie ganz herzlich.

Ich grüße Eugenies Schwestern S. und S., ihre Schwäger, ihre Neffen und ihre Nichte und alle Verwandte, ich grüße alle Freunde, Nachbarn und Wegbegleiter, alle Bekannte, alle Blogger und Briefeschreiber. Ich grüße Sie, obgleich ich weiß, dass viele von Ihnen mich nicht kennen.

Es war immer Eugenies Geheimnis, zu vielen und zu sehr unterschiedlichen Menschen ehrliche, intensive und sehr liebevolle Beziehungen zu pflegen.

Heute sind wir gemeinsam hier, um Eugenie zu gedenken. Denn Eugenie ist von uns gegangen – sie war erst 57 Jahre alt.

Ich selbst kenne Eugenie, seit sie mit A. zusammen ist, und in A.s Namen richte ich heute das Wort an Sie. Bitte verzeihen Sie, wenn ich viele Details aus dieser Zeit erwähne, obwohl ja nicht nur viele Lebensjahre, sondern auch wunderbare Erinnerungen und Erlebnisse mit Eugenie vorausgegangen sind.

Vielleicht ist es aber auch so: Gerade in den letzten 12 Jahren scheint sich alles zu konzentrieren, was bereits viel früher in Eugenies Leben angelegt ist: Ihr außergewöhnlicher Charakter, ihre Auffassung von Leben und Liebe, ihre Präsenz, ihr Humor, ihr Umgang mit Krankheit.

Über allem – und das ist ein Punkt, der mir in Bezug zu Eugenie wichtig ist – steht die Liebe. Eugenie sagte einmal: Jeder Mensch will nur das eine: geliebt werden.
Eugenie hat geliebt, intensiv. Und sie hatte ein großes Herz.

Eugenie ging immer offen und interessiert auf andere Menschen zu. Sie war charmant, freundlich und fröhlich. Sie verstand andere, sie hörte zu und wenn sie Hinweise gab, dann konstruktiv, nie verletzend.

Noch im Hospiz konnte sie mit Menschen auf eine Art und Weise in Beziehung treten, dass sie als außergewöhnliche Frau wahrgenommen wurde – von den Ärzten, den Schwestern, den Pflegern und vielen anderen, die ihre letzten Tage begleitet haben.

Und dennoch: Eugenie hatte auch ihren eigenen Kopf, „sie war eigenwillig in ihrer Art“, sagt ihre Mutter, und sie hat ihr eigenes Leben gelebt.

A. war ihr Allergeliebtester – das ungewöhnliche Wort hat ihre Nichte I. geprägt. Nichts hat sie auf diese Liebe kommen lassen. Sie erzählte mir, wie sie A. das erste Mal sah – im Tazza d’oro in Hamburg. Sie hat ihn nur gesehen, nicht gesprochen. Aber sie wusste schon bald, er ist der Richtige. Und er war der Richtige, A. war ihre große Liebe bis in den Tod.

Bevor Eugenie und A. geheiratet haben, sind Beziehungen und auch zwei Ehen vorausgegangen. Die Lieben waren echt und sie wurden gelebt. Sie sind zu Ende gegangen, sicher nicht leichtfertig.

Denn Eugenie war ein Mensch, der seinen Hafen braucht und wünscht. Ein Stück Heimat. Sie liebt ihre Eltern, ihre Schwestern und die Familien ihrer Schwestern. Eugenie hat ihre Wurzeln.

Ihren Hafen hat Eugenie mit A. in Hamburg gefunden. Aber ist es nicht ein Wink des Schicksals, dass beide aus dem Schwabenlande kommen und in Hamburg munter miteinander schwäbelten – auch das war ein Stück ihrer Intimität und ein Stück Heimat.

Und noch etwas scheint mir wichtig:

Eugenies Botschaft: Das Leben will gelebt werden!

Eugenie ist früh von uns gegangen und dennoch bleibt mir eine Gewissheit:

Eugenie hat ihr Leben gelebt. Sie hatte ein gutes Leben. Das hat Eugenie selbst gesagt.

Vielleicht wusste Eugenie schon viel früher als andere, wie kostbar das Leben ist. Wie kostbar jeder Tag, wie kostbar jede Stunde und Minute.

Eugenie war noch jung, als sie die schreckliche Nachricht bekam: Sie litt an Multiple Sklerose – eine Krankheit, die nicht heilbar ist. Ich möchte nicht wissen, wie ihre Familie empfunden hat.

Doch Eugenie war nie gewillt, sich von der Krankheit unterkriegen zu lassen. Sie hat gelernt zu kämpfen und sie hat gekämpft. Eugenie hat keinen Deut körperliche Vitalität dem Krankheitsverlauf freiwillig abgetreten. Und sie hat in keiner Sekunde zugelassen, das Leben den körperlichen Widrigkeiten unterzuordnen.

Sie hat nie zurückgeschaut oder besseren Zeiten nachgetrauert. Sie hat das Leben genommen wie es ist. Sie war nicht missmutig, Eugenie war ein zufriedener Mensch.

Ein Internet-Freund sagt sehr treffend – ich zitiere: „Sie verkörperte Leben. Sie hat nie aus ihrer Situation den anderen belastet. Sie hat Freude, Humor und Besinnlichkeit. Sie war eine Gebende.“

Als Eugenie A. kennenlernt, war die Multiple Sklerose bereits vorangeschritten. Und dennoch: Sie „versuchte zu laufen wie eine Königin“, wie Eugenie es selbst einmal sagte. Und sie war eine Königin:

Eugenie war außergewöhnlich schön. Sie wusste um ihre Schönheit und achtete darauf. Irgendwann erzählte sie mir, dass es ihr früher nie in den Sinn gekommen wäre, ungeschminkt das Haus zu verlassen.

Dennoch war da keine Oberflächlichkeit. Vielleicht auch deshalb, weil Eugenie zur ungeschminkten Wahrheit steht. Vor vielen Jahren ließ sie sich das Haar grau herauswachsen. Sie arrangierte sich mit ihrem Körper, der am Ende der Krankheit nicht mehr ihrer zu sein schien.

Ihre äußere Schönheit wird von ihrer inneren Schönheit noch überstrahlt. Ja, sie war eine Königin.

Als sie von uns gegangen war, hatte sie einen wunderbaren Gesichtsausdruck – die sinnlichen Augenlieder, die gerade Nase, der Mund leicht geschlossen, sie strahlte Zufriedenheit aus. Ihre Schönheit ging über ihren Tod hinaus.

Humor und Weisheit – auch das war Eugenie wichtig

Als ich diese Rede schrieb, habe ich von Charles Dickens ein Zitat gefunden, das Eugenie sicher gefallen hätte:

„Der Humor nimmt die Welt hin, wie sie ist, sucht sie nicht zu bessern und zu bekehren, sondern sie mit Weisheit zu ertragen, da sie doch nur eine närrische Welt ist und bleiben wird.“

Besser kann ich Eugenies Humor und Weisheit nicht beschreiben.

Eugenie hatte einen gesunden Menschenverstand und sie brachte die Dinge auf den Punkt. Sie konnte vorzüglich analysieren und sie hatte einen feinsinnigen Humor.

Sie konnte den Menschen mitten ins Herz schauen – und bei allem war sie immer eine amüsante und angenehme Gesprächspartnerin.

Sie interessierte sich für den Menschen. Ihr Leben lang hat sie sich um Menschen und um die menschliche Seele gekümmert. Sie hat viele Jahre als Heimleiterin für behinderte Menschen gearbeitet. Später – als ich Eugenie schon kannte – hat sie ein Psychologiestudium mit Bravour absolviert. Ihre Eltern waren sehr stolz darauf.

Eine Freundin sagt, Eugenie habe eine intellektuelle Lust. Und es war tatsächlich so: Eugenie ging den Dingen richtig auf den Grund. Wissen war ihr wichtig.

In den letzten Jahren, als Eugenie die Wohnung nicht mehr verlassen konnte, pflegte sie viele Kontakte über das Internet. Und sie war eine geschätzte Bloggerin – ihre Einträge sprühten vor Witz und Charme.

Ein lieber Mensch aus der Internet-Community schrieb – ich zitiere: „Sie war eine große Schamanin des Internets, wo sie durch ihre kluge, liebenswürdige Art und ihren Witz bezauberte. (…) Einmal habe ich diese zauberische Frau besucht und mir war, ihre Augen lasen meinen Seelengrund.“

So sehr wir Eugenies Gegenwart genossen haben – wir sollten uns auch daran erinnern: Leicht war Eugenies Leben nicht. Es gab viele schwere Stunden und schwierige Entscheidungen.

Die körperlichen Einschränkungen, die Schmerzen, die Abhängigkeit von anderen, der Kampf um die eigene Würde, wenn der Körper den Gehorsam versagt – all das ist schwer.

Eugenie hat Medikamente nur äußerst sparsam eingesetzt. Es war ihr wichtig, bis zum Schluss präsent und klar zu bleiben. Und das ist ihr gelungen. Sie blieb in jedem Moment würdevoll, aufrecht und tapfer.

Ihre Eltern sagen: „Stärke ist ihre Lebenskraft bis zum Ende.“

Als A. und Eugenie heirateten, war das angesichts der Krankheit keine leichte Entscheidung. „Was kommt auf uns zu, was wird sein“ – das waren bange Fragen.
Sie haben den Schritt gewagt. Sie haben ihr Leben geteilt, in guten wie in schlechten Zeiten.

Im Frühsommer dieses Jahres sagte Eugenie zu mir: „Ich bin auf den Krebs nicht sauer, es ist so wie es ist, aber es hätte mit der MS einfach noch ein paar Jahre weitergehen können.“

Eugenie hat das Leben geliebt und sie hat A. geliebt.

Ihr fiel es schwer, loszulassen. Beide standen zueinander. Die letzten Monate, Wochen und Tage waren für A. und Eugenie unglaublich intensiv.

Eugenies Eltern sind dankbar für A.s Liebe zu ihrer Tochter und dankbar für seine liebevolle Fürsorge. Ich glaube, wir alle sind A. dankbar, dass er bei Eugenie war.

Wir alle sind und waren in Gedanken bei Euch. Wir haben Euch besucht, wenn es ging, wir haben telefoniert und geschrieben. Eugenie war nicht allein.

Wir alle sind dankbar, dass Eugenie bei uns war.

A. sagte noch vor wenigen Tagen: „Ich fühle mich in Eugenies Gegenwart immer wohl.“

So ging es uns allen.

Eugenie, wir denken an Dich – bis bald.

(Momoseven, 16.11.2013)

Von Frau Faust

Momoseven schreibt dies auf Bitte von Frau Faust hin, da sich ihr Zustand leider nicht verbessert hat, und sie nicht in der Lage ist, am Computer zu sitzen.

Sie bat mich, etwas zu erklären:

Ihr derzeitig so schlechter Zustand rührt in erster Linie nicht von der Krankheit MS her, an der sie schon Jahrzehnte lang leidet, sondern vor allem von einem, vor kurzen entdeckten, bösen Tumor, der sich in ihrem Bauch gebildet hat.

Da sie weiß, daß sie unter ihren Lesern Menschen hat, die selbst an der Krankheit, die sie hat, leiden (oder Menschen, die ihnen nahestehende Menschen haben, die diese Krankheit haben), möchte sie diesen ein wenig Schrecken nehmen, die die letzten Andeutungen zu ihrem schlechtem Gesundheitszustand erweckt haben mögen.

Wäre dieser neue Befund nicht, so ginge es ihr, meinte sie, trotz der Fortgeschrittenheit ihrer Krankheit, wesentlich besser.

Nachtrag zum Freitagstexter

Hier noch mal Momoseven:

Leider geht es Frau Faust immer noch sehr, sehr schlecht, und sie kann sich im Moment nicht selbst bei Euch melden.
Sie hat mich gebeten, noch etwas zur Pokalvergabe anzumerken.

Da sie den Post an mich bereits am Nachmittag delegiert hatte, konnte sie den preisverdächtigen Kommentar von

das bee:
„Wenn Papa Ratzi irgendetwas nicht sehen konnte, dann Paparazzi.“

in der Preisvergabe nicht mehr berücksichtigen.

Deswegen gibt es dafür zumindest noch eine nachträgliche Ehrung als Sonderpreis.

Frau Faust hat sich über Eure guten Wünsche sehr gefreut und sendet Euch Grüße!

Freitagstextergewinnerverkündigung

Gleich vorneweg: Ich bin es, Momoseven.

Leider geht es Frau Faust im Moment gesundheitlich sehr schlecht, so daß sie mich gebeten hat, den Pokal zu überreichen.
Ich hoffe, ich habe alles richtig verstanden, was sie mir aufgetragen hat.

Also zunächst einmal: Frau Faust hat sich sehr über all die zahlreichen Beiträge gefreut.

Den 3. Platz möchte sie gerne an alle gereimten Beiträge vergeben.

Der 2. Platz geht an:

Herrn rainmansun mit seinem Beitrag:

„In….nomine….patri…“

[Grundgütiger! Musste Alfonso das unbedingt SO KLEIN auf meine Hand kritzeln??]

Und nun zum ersten Platz:

Der Freitagstexterpokal geht diesesmal an….

FrauDinktoc:

„Wo ist denn nun wieder die Unschuld hin?! Gerade wollte ich mir die Hände darin waschen!“

Herzlichen Glückwunsch!!!!

(Wichtige Anmerkung für FrauDinktoc: Ihr angegebener Link funktioniert leider nicht, bitte geben Sie ihn evtl. noch einmal neu ein)

So, ich hoffe, ich habe alles richtig weitergegeben.

Gute Besserung, liebe Eugenie!!!!!

Fast Nacht

„Das Fassende des Fassbaren ist die Nacht. Sie fasst, indem sie übernachtet. So gefasst, nachtet das Fass in der Nacht. Sein Wesen ist die Gefasstheit in der Nacht. Was fasst? – Was nachtet? Dasein nachtet fast. Übernächtig west es in der Umnachtung durch das Fass, so zwar, daß das Fassbare im Gefasstwerden durch die Nacht das Anwesen des Fasses hütet. Die Nacht ist das Fass des Seins. Der Mensch ist der Wächter des Fasses. Dies ist seine Verfassung. Das Fassende des Fasses aber ist die Leere. Nicht das Fass fasst die Leere – und nicht die Leere das Fass, sie fügen einander wechselweise in ihr Fassbares. Im Erscheinen des Fasses als solchem aber bleibt das Fass selbst aus. Es hat sein Bleibendes in der Nacht. Die Nacht übergießt das Fass mit seinem Bleiben. Aus dem Geschenk dieses Gusses west die Fasnacht. Es ist unfassbar.“

Text von
Fritz Heidegger: ohne Titel, ohne Jahrgang.