Teil I, Teil II, Teil III, Teil IV, Teil V, Teil VI, Teil VII, Teil VIII, Teil IX, Nachtrag zu IX, Teil X, Teil XI, Teil XII
Es begann eine richtig intensive Zeit als Studentin und als Single auf Probe*. Zu Beginn eines Studiums ist glücklicherweise die Orientierung noch sehr stark, da man bis zum Vordiplom viel mit anderen Studierenden zusammen ist, zumal ja alle die gleichen Vorleistungen bringen müssen. Es gibt regen Austausch, und Arbeits– und Lerngruppen entstehen. Was ich auch sehr genossen habe, war, dass ich von Anfang an keine anonyme Figur unter vielen war, denn ich hatte natürlich durch mein Hilfsmittel einen hohen Wiedererkennungswert. Deshalb wurde ich schon im ersten Semester von vielen Professoren freundlich gegrüßt und in den einen oder anderen Fahrstuhlplausch verwickelt. Ich fühle mich schnell irgendwo wohl und heimisch, wenn mich freundlich zugewandtes Wiedererkennen umgibt.
Eine Herausforderung im Grundstudium war, dass ein halbjähriges Praktikum absolviert sein musste. Da war ich richtig beglückt, als ich schon bald auf die scheinbar ideale Praktikumsstelle in der Sexualberatung des UKE stieß. Dieses Praktikum erstreckte sich zwar über zwei Semester, nahm aber nur die halbe Wochenzeit in Anspruch, so dass ich weiterhin meinem Job im Callcenter hätte nachkommen können. Doch daraus wurde leider nichts. Damals hatte ich den Eindruck, dass es Berührungsängste mit meinem Handikap gab. Also suchte ich weiter.
Im Wintersemester 1999/2000 absolvierte ich dann ohne jeden Skrupel als ungläubige Ex-Katholikin eine Ausbildung zur Telefon- und E-Mail Seelsorgerin bei der Evangelischen Studierendengemeinde und war dort vier Semester lang ehrenamtlich tätig. Die Tätigkeit umfasste die wöchentliche Supervision durch eine Psychologin, 2-3 Telefondienste im Monat und 20-24 Uhr bzw. Bereitschaftszeiten für die E-Mail Bearbeitung. Als ich fast damit fertig war, habe ich erfahren, dass allein meine berufliche Qualifikation ausreichend gewesen wäre. Somit habe ich mir wenigstens den Praktikumsbericht erspart. Mit der Vorbereitung aufs Vordiplom – sieben schriftliche Prüfungen – gab es ohnehin genug zu tun.
*Das klingt natürlich viel harmloser als es tatsächlich war. Aus der Trennung auf Probe wurde eine perfide Drei-bis-Fünfecksgeschichte, die schließlich zu einer endgültigen sehr schmerzhaften Trennung führte. Parallel dazu führte ich das Leben einer engagierten Studentin und das einer inzwischen freigestellten Schriftführerin mit festen Arbeitszeiten im Betriebsrat. Als die durchweinten Nächte weniger wurden, suchte ich mir ganz bewusst ein kleines feines italienisches Stammcafé, das ich hinfort mit Büchern und Unterlagen bewaffnet fast täglich besuchte. Bei schönem Wetter gehörte ich, wie mir Cafébesucher mitteilten, bald irgendwie zum Stadtbild.
Wie ihr hier sehen könnt, habe ich die letzte Prüfung in Entwicklungspsychologie leider etwas versemmelt, da ich mich kurz zuvor Hals über Kopf in den Aushilfskoch des Cafés verliebt habe.
Ach ja, und nach dem Vordiplom habe ich mir Gesangsunterricht und Hippotherapie gegönnt.